Rechtsgrundlagen für Bau und Ausstattung ©pitopia/styleuneed.de

AA Rechtsgrundlagen für Bau und Ausstattung

Stand: 09/2022

Allgemeines

Die Rechtsgrundlagen für die baulich-technische Gestaltung von sicheren und gesundheitsgerechten Kindertageseinrichtungen ordnen sich in ein hierarchisches System ein. Grundlegende Anforderungen an den Bau und die Ausstattung von Kindertageseinrichtungen ergeben sich in Deutschland sowohl aus staatlichen Rechtsvorschriften als auch aus dem Vorschriftenwerk der gesetzlichen Unfallversicherung.

Staatliches Recht

Die Grundlage für den deutschen Arbeitsschutz liefert das Grundgesetz, in dem das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in den Artikeln 1 und 2 festgeschrieben ist:

  • „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Artikel 1 Abs. 1)
  • „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ (Artikel 2 Abs. 2)

Auf dem Grundgesetz bauen alle weiteren Gesetze auf, mit denen die Anforderungen an den Arbeitsschutz geregelt werden. Die deutsche Gesetzgebung wird stark durch die Verordnungen und Richtlinien der Europäischen Union beeinflusst.

©Unfallkasse NRW

Die grundlegenden Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers, die Pflichten und die Rechte der Beschäftigten sowie die Überwachung des Arbeitsschutzes durch die zuständigen staatlichen Behörden sind geregelt im Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (kurz: Arbeitsschutzgesetz [ArbSchG]). Das Arbeitsschutzgesetz setzt die Anforderungen der europäischen Arbeitsschutzrahmen-Richtlinie (Richtlinie 89/391/EWG) in deutsches Recht um.

Nach § 4 Arbeitsschutzgesetz haben Arbeitgeber insbesondere

  • die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird,
  • Gefahren an ihrer Quelle zu bekämpfen,
  • bei allen Maßnahmen den aktuellen Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen und
  • spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen zu berücksichtigen.

Die im Arbeitsschutzgesetz festgelegten allgemeinen abstrakten Forderungen werden häufig erst in untergesetzlichen Regelwerken, wie z. B. der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), weiter konkretisiert.

Die Technischen Regeln (wie z. B. die Technischen Regeln für Arbeitsstätten [ASR A]) enthalten Empfehlungen und technische Vorschläge dafür, auf welche Art und Weise die jeweiligen Forderungen - u. a. auch im Hinblick auf die baulich-technische Gestaltung - umgesetzt werden können. Dabei geben sie den zum Zeitpunkt der Bekanntgabe aktuellen Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse wieder.

Die Veröffentlichungen des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) haben ein länderübergreifendes einheitliches Handeln der Arbeitsschutzverwaltungen zum Ziel. In diesem Zusammenhang veröffentlicht der LASI Leitlinien und Handlungsanleitungen.

 

Recht der Unfallversicherungsträger

Die Unfallversicherungsträger haben gemäß Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) u. a. die Aufgabe "mit allen geeigneten Mitteln für die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und für eine wirksame Erste Hilfe zu sorgen“ (§ 14 SGB VII).

In diesem Zusammenhang werden die Unfallversicherungsträger ermächtigt, Unfallverhütungsvorschriften zu erlassen, "soweit dies zur Prävention geeignet und erforderlich ist und staatliche Arbeitsschutzvorschriften hierüber keine Regelung treffen" (§ 15 SGB VII).

Vor diesem Hintergrund legen die gesetzlichen Unfallversicherungsträger über das staatliche Recht hinaus in DGUV Vorschriften verbindliche Maßnahmen zum Schutz ihrer Versicherten fest. Im vorgegebenen thematischen Zusammenhang ist hier insbesondere die von der Unfallkasse NRW erlassene und zum 1. April 2009 in Kraft getretene Unfallverhütungsvorschrift Kindertageseinrichtungen (DGUV Vorschrift 82) zu nennen. Die DGUV Vorschrift 82 formuliert verbindliche Schutzziele für den Bau und die Ausstattung von Kindertageseinrichtungen bezogen auf die hier betreuten Kinder.

Die Regeln der Unfallfallversicherungsträger (DGUV Regeln) dienen als Hilfestellung bei der Umsetzung der Anforderungen aus den staatlichen und autonomen Arbeitsschutzvorschriften. Bei Einhaltung der in den DGUV Regeln gegebenen Empfehlungen kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass er geeignete Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren getroffen hat. Er hat aber auch die Möglichkeit, mit anderen Lösungen die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten zu erreichen.

In ihren DGUV Informationen geben die Unfallversicherungsträger unverbindliche Hilfestellungen und Empfehlungen für bestimmte Branchen, Tätigkeiten und Zielgruppen. 

Normen/Richtlinien

Normen (z. B. DIN-Normen) sind keine Rechtsnormen, sondern technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Sie konkretisieren die im europäischen und deutschen Regelwerk genannten grundlegenden Sicherheitsanforderungen und geben Empfehlungen auf Basis der aktuellen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen.

Die vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) veröffentlichten VDI-Richtlinien sind ein eigeständiges technisches Regelwerk.

DIN-Normen gehören zu den anerkannten Regeln der Technik, aber auch VDI-Richtlinien können dazugehören.

Verbindlichkeit

Gesetze und Verordnungen sowie Unfallverhütungsvorschriften sind rechtsverbindlich. Die aus diesen Vorschriften resultierenden Forderungen sind allerdings überwiegend als allgemeine Schutzziele formuliert. Eine für die Praxis hinreichende Konkretisierung erfolgt in den jeweils zugehörigen Technischen Regeln (z. B. Technische Regeln für Arbeitsstätten [ASR A]) oder den DGUV Regeln (z. B. DGUV Regel 102-602 „Branche Kindertageseinrichtung“). Ergänzt werden diese Regeln durch Normen und Informationen, die detailliert themenbezogen Möglichkeiten aufzeigen, mit denen Sicherheit und Gesundheit von Versicherten gewährleistet werden kann. Hier sind beispielsweise die DGUV Information 202-022 „Außenspielflächen und Spielplatzgeräte“, die DGUV Information 202-093 „Die Jüngsten in Kindertageseinrichtungen sicher bilden und betreuen“, die DIN EN 1176 „Spielplatzgeräte und Spielplatzböden“ oder die DIN 18040 „Barrierefreies Bauen“ zu nennen.

Alle diese Regeln, Normen und Informationen sind rechtlich nicht verbindlich.

Allein die staatlichen Regeln wie z. B. die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR A) lösen bei Ihrer Umsetzung die sogenannte „Vermutungswirkung“ aus. D. h. bei Einhaltung der Technischen Regeln kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die zugrundeliegenden Forderungen der Gesetze und Verordnungen erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er im Zweifelsfall beweisen können, dass er mit dieser Lösung mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreicht. Der Nachweis erfolgt in der Regel im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung.

 

Bestandsschutz

Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR A) beinhalten Maßnahmen und praktische Durchführungshilfen und legen dar, wie die in der Arbeitsstättenverordnung im Hinblick auf die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten aufgestellten Schutzziele und Anforderungen bei Einrichtung und Betrieb von Arbeitsstätten erreicht werden können. Wenn – bedingt durch die technische Weiterentwicklung – neue Forderungen erwachsen, ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu überprüfen, ob die bisherigen Maßnahmen ausreichen oder ob die Arbeitsstätte (hier Kindertageseinrichtung) nachgerüstet werden muss. D. h. der Betreiber hat nach § 8 Abs. 1 ArbStättV in eigener Verantwortung zu prüfen, ob eine den Bestandsschutz durchbrechende wesentliche Änderung vorliegt und Anpassungsmaßnahmen zu treffen sind. Nach § 56 Abs. 1 der früheren ArbStättV von 1975 entstand die Anpassungspflicht erst auf Verlangen der zuständigen Behörde. Der Arbeitgeber muss die erforderlichen Maßnahmen jetzt also von sich aus und ohne gesonderte Aufforderung ergreifen (Lorenz, in: Kollmer/Klindt, § 8 ArbStättV Rn. 7). Die für die Umsetzung des Arbeitsstättenrechts zuständige Behörde (zuständige Bezirksregierung in NRW) kann in Härtefällen nach § 3 a Abs. 3 Ausnahmen von den Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung zulassen. Im Hinblick auf die Arbeitsstättenverordnung gibt es damit auch für Kindertageseinrichtungen keinen generellen Bestandsschutz.

Darüber hinaus ist auch im Hinblick auf die Sicherheit und Gesundheit der Kinder zu prüfen, ob neue oder veränderte Anforderungen wesentliche sicherheitstechnische Verbesserungen mit sich bringen. Ältere Kindertageseinrichtungen müssen nach § 30 der in Nordrhein-Westfalen am 1. April 2009 in Kraft getretenen Unfallverhütungsvorschrift Kindertageseinrichtungen (DGUV Vorschrift 82) geändert werden, wenn

  • sie wesentlich erweitert oder umgebaut werden,
  • ihre Nutzung wesentlich geändert wird,
  • konkrete Gefährdungen für Leben oder Gesundheit der Kinder vorliegen.

In diesen Fällen ist es erforderlich, die gesamte Kindertageseinrichtung im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheit von Kindern zu überprüfen und gegebenenfalls nachzurüsten. Zielperspektive der Nachrüstung ist dann die Anpassung an den aktuellen Stand der DGUV Vorschrift 82. Insofern ist hier nur von einem gefährdungsabhängigen Bestandsschutz auszugehen.

Der Unternehmer (Träger einer Kindertageseinrichtung) kann im Einzelfall ebenfalls bei seinem zuständigen Unfallversicherungsträger Ausnahmen von Unfallverhütungsvorschriften schriftlich beantragen, solange kein staatliches Arbeitsschutzrecht berührt wird. Im Falle eines Antrags durch eine Kindertageseinrichtung ist neben der Stellungnahme der betrieblichen Arbeitnehmervertretung zusätzlich der Einrichtungsleitung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. (vgl. § 14 DGUV Vorschrift 1).

Im Falle einer wesentlichen Erweiterung oder eines wesentlichen Umbaus gilt der Bestandsschutz weder für die Gebäude, Gebäudeteile und Räumlichkeiten, die tatsächlich erweitert oder umgebaut werden, noch für solche, deren Nutzung unmittelbar und wesentlich durch die Erweiterung oder den Umbau betroffen oder beeinflusst werden. Ein wesentlicher Umbau liegt dann vor, wenn in die Struktur des Gebäudes eingegriffen wird und diese sich verändert.

Eine wesentlich geänderte Nutzung eines Gebäudes liegt dann vor, wenn sich die funktionale Ausrichtung der Nutzung ändert, d. h. Gebäude, Gebäudeteile oder Räume grundsätzlich und völlig anders genutzt werden als zuvor (Beispiel: Ein Verwaltungsgebäude mit Büroräumen wird zu einer Kindertageseinrichtung umgebaut).

Konkrete Gefährdungen für Leben und Gesundheit der Kinder, die außerdem eine Aufhebung des Bestandsschutzes rechtfertigen, liegen vor, wenn:

  • aufgrund eines Mangels eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Kindern gegeben und dieser Mangel oder die Gefährdung von erheblicher Bedeutung ist,
  • es tatsächliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein Unfall bzw. eine Gefahr für Leben und Gesundheit hinreichend wahrscheinlich sind. Dies bedeutet, dass es bereits ähnliche Unfälle gegeben hat oder die logische Betrachtungsweise auf eine Unfallgefahr schließen lässt.
 

Außenflächen und Spielplatzgeräte

Die DGUV Vorschrift 82 fordert in § 26 Außenflächen so zu gestalten, dass Gefährdungen für Kinder verhindert oder soweit dies nicht möglich ist, vermindert werden. Spielangebote müssen dem Alter der Kinder entsprechen.

Die Branchenregel „Branche Kindertageseinrichtungen“ (DGUV Regel 102-602) führt aus, dass ein Außengelände zur körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung der Kinder beitragen soll, wobei es zugleich unabdingbar ist, dass die Flächen und Spielangebote keine Gefahren beinhalten. So sind Spielplatzgeräte nach dem der Stand der Technik herzustellen, der sich aus der DIN EN 1176 „Spielplatzgeräte und Spielplatzböden“ ergibt.

Zu älteren Spielplatzgeräten, deren sicherheitstechnischer Maßstab sich aus früheren Normen der DIN 1176 ergibt, lässt sich hinsichtlich eines Bestandsschutzes folgende Aussage treffen:

„Die Sicherheit von Produkten (hier Spielplatzgeräte) bemisst sich nach denjenigen Normen, die zur Zeit der Herstellung/des Inverkehrbringens anwendbar waren. Eine Anpassung an später herausgegebene Normen kann erforderlich sein, wenn sich bei der Nutzung der Geräte herausgestellt hat, dass es trotz früherer Normübereinstimmung Gefahrenstellen gibt. So sind frühere Normen weiterhin Sicherheitsmaßstab für die Produktion aus dieser Zeit, die Geräte sind zur weiteren Benutzung grundsätzlich geeignet. Es hat sich aber gezeigt, dass bei einigen dieser Norm entsprechenden Geräten, die nach neueren Sicherheitserkenntnissen geforderten Maße zum Schutz vor Fangstellen, wie z. B. für Kleidung und für den Hals nicht erfüllt sind. In solchen Fällen sollten die Geräte entsprechend der aktuell anwendbaren Normenreihe DIN EN 1176 nachgerüstet werden.

Bei Änderungen oder Reparaturen von Geräten, die mit früheren Normenreihen übereinstimmen, ergibt sich folgende Situation: Werden nur einzelne Teile ersetzt, so wird die notwendige Sicherheit dadurch wiederhergestellt. Werden jedoch vollständige Bauelemente (z. B. Brüstungselement, Leiter, Treppe) ausgetauscht, so muss die neue, derzeit anwendbare Norm für das Austauschelement erfüllt werden.

Es gibt somit keinen generellen Bestandsschutz für Spielplatzgeräte. Demzufolge wird der Bestandsschutz eines konkreten Spielplatzgeräts durch eine Gefährdungsbeurteilung bewertet (DIN EN 1176 Beiblatt 1:2020-12).“

Webcode: W116